„In Deutschland hätte ich nie so schnell so große Sachen machen können“

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Thomas Hayo und TIF-Bloggerin Giulia Wilzewski beim Interview
Foto: privat


Thomas Hayo ist den meistens von uns als Juror in Heidi Klums Castingshow "Germany's Next Topmodel" bekannt. Als Creative Director arbeitet er jedoch schon viel länger. Bereits während des Studiums wagte er den Schritt nach New York City und startete von dort aus seine Karriere. Was genau er als Creative Director macht und wie er über seinen Job bei GNTM denkt, das hat er mir beim Interview in München verraten. 

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf als Creative Director?


Mein Vater war Arzt und eigentlich wollte auch ich diesen Weg einschlagen. Dank meines sehr guten Abiturs bekam ich gleich eine Zusage für einen Medizinstudienplatz, den ich auch gerne annehmen wollte. Ich hatte aber das große Glück, einen älteren Bruder zu haben, mit dem ich mich super verstand und immer noch verstehe. Er hatte bereits viel mehr Lebenserfahrung und wusste, was alles möglich war. Neben seinem Architektur-Studium hat er Musik gemacht, war also kreativ tätig. Ich habe immer schon viel gemalt, Logos für die Plattenfirma meines Bruders entworfen und fotografiert. Er hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass es auch Studiengänge gibt, in denen ich mein Hobby zum Beruf machen kann. Ich habe mich dann für die Hochschule für Gestaltung in Darmstadt entschieden und begann Design zu studieren. Einfach war die Entscheidung natürlich nicht, aber meine Eltern waren sehr offen und haben mich immer unterstützt. 

Wie fühlt es sich für Sie an, für kurze Zeit wieder in Ihrer Heimat Deutschland zu sein?

Ich finde es wunderschön, mal wieder hier zu sein, aber ich könnte nicht mehr in Deutschland leben. 

In einer Großstadt wie New York bin ich eine ganz andere Vielfalt gewöhnt. Ich habe Freunde aus verschiedenen Kulturkreisen und sozialen Backgrounds und auch aus verschiedenen Altersstufen. Hier in Deutschland ist das alles immer noch mehr voneinander abgegrenzt.

Das Praktikum bei J. Walter Thompson war Ihr erster Karriereschritt in den USA. Wie haben Sie dieses Praktikum bekommen?

Ich war damals schon einmal an der West Coast und war fasziniert von Amerika und v.a. von der amerikanischen Werbung. Also habe ich meine Bewerbung an verschiedene amerikanische Agenturen geschickt. Bei J. Walter Thompson war ein deutscher Art Director, Kai Sawatzki. Er fand meine Mappe super und hat sogar auf der gleichen Hochschule wie ich studiert. Ich hatte richtig Lust, dort zu arbeiten. 


"New York war für mich Liebe auf den ersten Blick." 

Meinen ersten Abend habe ich in einem YMCA in Midtown im Februar verbracht, es war eiskalt und die Heizungen sind nicht mit deutschen Standards zu vergleichen. Aber ich habe mich von Anfang an heimisch gefühlt und die Stadt von Anfang an genossen.

Meine Arbeitsweise war typisch deutsch, sehr diszipliniert und ich habe Tag und Nacht hart gearbeitet. Nach zwei Monaten habe ich bereits Anzeigen für große Kunden wie Kodak verkauft. Nach drei Monaten wollten sie mich dann überzeugen, länger zu bleiben und haben mir ein Jobangebot gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kein Diplom, aber mein Professor in Darmstadt war sehr weltoffen und hat mir dazu geraten, das Angebot anzunehmen. Ich habe dann ein Jahr lang tagsüber in der Agentur gearbeitet und nachts für die Uni meine Diplomarbeit geschrieben. Es war nie richtig geplant, dass ich so lange in Amerika bleibe, aber es hat für mich sowohl beruflich als auch privat Sinn gemacht. So sind aus anfangs sechs Monaten mittlerweile 23 Jahre geworden.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen Deutschland und den USA?

Die Deutschen sind oft Vernunftentscheider – auch wenn es zur Berufswahl kommt. In Amerika denkt jeder, alles ist möglich. Das Leben ist ja nicht vorbestimmt und Entscheidungen lassen sich auch korrigieren oder revidieren. In den USA hast Du schon als junger Mensch in der Werbebranche die Chance an großen Projekten zu arbeiten. Sie lassen Dich dort immer alles probieren und freuen sich mit Dir, wenn es klappt. In Deutschland hätte ich nie so schnell so große Sachen machen können. Man bekommt in Amerika relativ früh viel Verantwortung und es ist auch nicht streng kontrolliert. Ganz nach dem Motto: „Do or die“. Entweder man schwimmt, oder man sinkt. Wenn man sinkt, wird man aber auch nicht gerettet.

Waren Sie anfangs von der großen Werbebranche in den USA eingeschüchtert?

Ich hatte nie das Gefühl, dass man mich abschätzig als den „jungen Praktikanten“ behandelt. Das liegt aber auch an der Stadt selbst. In New York sind so viele Immigranten, die ihren Traum verwirklichen wollen. Dementsprechend bekommt man die Möglichkeiten und Erfolg wird einem in Amerika auch gegönnt. Trotzdem ist es dort knallhart: Die Chancen schnell aufzusteigen sind genauso da wie der plötzliche Abstieg. 


"Die Konkurrenz ist riesengroß und der Nächste wartet schon auf Deinen Misserfolg." 

Gemütlich ist es dort nicht.

Warum haben Sie sich entschieden, Jury-Mitglied bei Germany’s Next TopModel zu werden?

Ich kannte Heidi ja schon länger, doch anfangs kam für mich ein Jury-Platz nicht infrage, da ich fest in der Agentur angestellt war. Letzten Endes war es ein Zusammenspiel von Zufällen und richtigem Timing. Oliver Wirtz, mein jetziger Manager, rief meinen Freund Jean-Remy von Matt aus Zeiten von Springer&Jacoby an, als dieser gerade bei mir in New York war. Er suchte einen Werber für die Germany’s Next Topmodel-Jury.

Anfangs habe ich das Angebot noch nicht so ernst genommen. Es war nie mein Ziel und ich hatte ehrlicherweise auch Bedenken. Die Zweifel, sich in meinem Heimatland mit einer Show ins öffentliche Licht zu begeben, waren da. Um diese auszuräumen, habe ich mich mit Heidi und den Verantwortlichen des Fernsehsenders getroffen. Ich wollte nicht vorgeschrieben bekommen, was ich sagen soll und auch einen Einfluss darauf haben, wie alles geschnitten wird. Nachdem wir uns auf einen gemeinsamen Konsens geeinigt hatten, habe ich zugesagt. Auch unter dem Aspekt, eine neue Erfahrung zu sammeln.

Hatten Sie keine Angst, Ihr Image als professioneller Werber zu gefährden?

Ich lebe nicht in Deutschland und arbeite auch nicht dort. Das hat die Entscheidung um einiges einfacher gemacht. 


"Ich bin nicht von Deutschland abhängig." 

In den USA interessiert sich eigentlich nicht wirklich jemand für meinen Job bei Germany’s Next Topmodel und wenn, dann finden sie es interessant und cool. Dort gibt es auch keine so strenge Trennung zwischen Popkultur, Unterhaltung und Feuilleton, wie sie in Deutschland existiert. In den USA ist alles fließender.

Haben Sie schon einmal nach Germany’s Next Topmodel mit einer der Gewinnerinnen zusammengearbeitet?

Gebucht habe ich noch keine der Mädchen, aber ich konnte vielen weiterhelfen. Luisa Hartema zum Beispiel, die Gewinnerin von 2012, war für mehrere Wochen bei mir in New York und ich habe Ihr geholfen eine renommierte internationale Agentur zu finden. Bei der Agentur handelte es sich um IMG, die weltweit größte und angesehenste, welche auch Stars wie Kate Moss und Giselle Bündchen repräsentiert. Aber egal wieviel Unterstützung ich auch leiste, letztendlich kommt es immer auf die Mädchen selbst an. Sich der internationalen Konkurrenz zu stellen, auf zahlreiche Castings zu gehen und sich mit vielen Absagen auseinandersetzen zu müssen, ist eine sehr große Herausforderung, der nicht jede gewachsen ist. Des Weiteren müssen Sie ständig an sich arbeiten, sowohl an ihrem Auftreten als auch an der körperlichen Konstitution. Nur wer in herausragender Form ist, hat international eine realistische Chance. Während und nach der Show versuche ihnen möglichst viel von meiner Erfahrung mitzugeben. Was sie davon annehmen und umsetzen, kommt auf die Mädchen selbst an. Sie sitzen am Lenkrad.

Das Interview erschien bereits auf der deutschen Seite der Huffington Post.


Vielen Dank für das Gespräch!

VON GIULIA WILZEWSKI

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1 Kommentare

  1. Liebe Giulia,
    das meiste wusste ich noch gar nicht über Thomas Hayo. Vor allem ist es spannend, dass er in den USA so anders wahrgenommen wird als in Deutschland. Schönes Interview :)
    Liebe Grüße

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