„Ich rede über Klamotten genauso begeistert wie über Kunstwerke!“
22:00
Laura Bohnenberger, Gründerin und Besitzerin des Bean Stores in München Foto: Daniel Sommer |
Modejournalismus, Kunstgeschichte und eine eigene Boutique: Klingt für manche unvereinbar, für Laura Bohnenberger liegt das alles jedoch ganz nahe zusammen.
In ihrem Laden, dem Bean Store in München plaudert sie mit uns über die Entstehungsgeschichte ihres Conceptstores, über den bewussten Umgang mit Konsum und vor allem über ihr Herzensthema, der Verbindung zwischen Mode und Kunst. Denn für Laura steht fest: die Meinung, dass Mode keine Kunst sei, ist längst überholt!
TIF: Du hast zuerst Modejournalismus studiert, dann Kunstgeschichte. Wie passt das zusammen?
Schon während meiner Modejournalismus Ausbildung habe ich Modetheorien kennengelernt, die mich sehr fasziniert haben. Modetheoretiker haben ja selbst selten das Fach an sich studiert, sondern sind meistens Soziologen, Psychologen oder auch Literaten. Da habe ich für mich bereits erkannt, dass Mode und Kunst untrennbar sind und ich wollte mehr in die Tiefe gehen. Am Anfang war das Kunstgeschichte-Studium nur als ein Zusatz zu meiner vorherigen Ausbildung gedacht. Je mehr ich mich aber damit beschäftigt habe, desto mehr fand ich, dass genau diese zwei Bereiche zusammen gehören und es sogar einen eigenen Bereich zwischen Kunst und Mode gibt. Darüber habe ich dann auch meine Magisterarbeit geschrieben, die ich „Kunststoff“ genannt habe. Die Idee dahinter war, das Künstlerische auf der einen Seite mit dem Materiellen, Stofflichen auf der anderen zusammen zu bringen. Es war unheimlich spannend, Beides zu kombinieren.
TIF: Bist du mit einem Modethema bei deinen Kunstgeschichtedozenten auf Unverständnis gestoßen?
Gott sei Dank nicht. Ich hatte aber auch das Glück, zwei ganz tolle Dozenten zu haben. Die haben mir zugehört und versucht, meine Ansichten zu verstehen, obwohl sie sich zuvor noch nie mit der Mode beschäftigt hatten. Ich habe aber auch wirklich jemanden gebraucht, der mich bei meiner Arbeit „Kunststoff“ begleitet, denn das Thema ist komplex. Je mehr Beispiele ich ihnen zeigen konnte, desto mehr haben meine Dozenten das Thema begriffen und fanden es selbst spannend. Mode und Kunst vermischen sich immer mehr und das kann man häufig beobachten.
„Ich finde es lustig, dass es noch die alteingesessene Meinung gibt, Mode wäre keine Kunst.“
TIF: Kannst du da ein Beispiel nennen?
Designer bekommen immer mehr eigene Ausstellungen in Museen. Martin Margiela war einmal im Haus der Kunst, momentan ist Jean Paul Gaultier in der Kunsthalle. Deswegen finde ich es lustig, dass es noch die alteingesessene Meinung gibt, Mode wäre keine Kunst. Kunstgeschichte geht ja auch weiter und es ist eben so, dass Mode und Kunst gerade miteinander verschmelzen. Das sieht man nicht nur daran, dass es Kooperationen zwischen Künstlern und Modehäusern gibt, wie bei Louis Vuitton mit der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama 2012. Man sieht das auch daran, wenn Modemacher etwas Ähnliches wie Kunst schaffen, zum Beispiel Alexander McQueen mit seiner Show „Robots“ im Jahr 1998. Das sind doch alles Beispiele dafür, dass Kunst und Mode zusammengehen.
TIF: Kunst wird in Deutschland geschätzt, Mode unterschätzt. Woran liegt das?
Kunstgeschichte wird an Universitäten gelehrt, das ist wahrscheinlich der einfachste Grund. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Amerika oder England kann man auch Cultural Studies oder Fashion mit anerkanntem Abschluss studieren. In Deutschland gibt es diese Studiengänge nicht, das heißt die akademische Ausbildung in der Mode ist nicht so anerkannt. Sich wissenschaftlich mit der Mode auseinanderzusetzen, wird in Deutschland schnell abgewertet. Das habe ich auch gemerkt, nachdem ich meinen Abschluss an der AMD hatte. Da kamen viele Nachfragen, was das genau ist und welchen akademischen Abschluss ich denn hätte. In dem Moment aber, in dem man einen Uniabschluss mit einem Titel hat, ist es auf einmal etwas Anerkanntes. Ein weiterer Grund ist, dass Mode in Deutschland als etwas sehr Oberflächliches und Schnelllebiges angesehen wird. Der elitäre Gedanke, dass Gebildete Menschen sich nicht modisch anziehen, ist noch immer sehr verwurzelt .Ich habe oft das Gefühl, dass ein Professor Dr. Dr. mit Mode nichts am Hut haben will. Das ist eine Logik, die für mich sehr deutsch ist. Schaut man zum Beispiel nach Italien, sind ja eigentlich gerade die Männer in den besten Positionen diejenigen, die sich auch am besten anziehen.
"Ich habe das Gefühl, dass Kunst und Mode sehr schnell konsumiert werden."
TIF: Wie kannst du Kunst und Mode heute vereinen?
Sehr gut, das ist ja gerade das Schöne an meinem Beruf! Ich habe mit meiner Boutique ja auch einen Raum zur Verfügung. Wir hatten schon Ausstellungen hier und werden auch bald wieder eine haben. Zusammen mit einem Fotografen, der ein guter Freund von mir ist, werden wir eine Fotostrecke mit dem Titel „Men are waiting“ ausstellen, also über Männer die auf ihre shoppenden Frauen warten. Ein super lustiges Thema finde ich und welcher Ausstellungsort wäre dafür besser geeignet als ein Modeladen? Wenn sich was ergibt, zeige ich hier also gerne Kunst. Eine ganz tolle Kooperation war für mich zum Beispiel mit der Künstlerin Lydia Beck. Die hat letzten Dezember mein Schaufenster gestaltet, indem sie es komplett mit einem Perlenvorhang verhangen hat. Meine Ausstellungsfläche war also fast nicht mehr zu sehen. Das fand ich total spannend. Auch das wir eigen von uns gestaltete Produkte in unserem Sortiment haben und die Art wie wir sie ausstellen, ist ja irgendwo fast Kunst.
Der Bean Store in der Theresienstraße in München Foto: Vanessa Peschla |
Verändern ist ein großes Wort. Es würde mich freuen, wenn man den Blick auf die Mode insofern verändern würde, dass man vor allem das Konsumieren anders lebt. Für mich wäre es generell schön, wenn es ein paar Menschen geben würde, die mir zuhören und verstehen würden, dass man auch die Mode hinterfragen muss. Ich habe schon das Gefühl, das sowohl Kunst als auch Mode sehr schnell konsumiert werden und auch sehr oberflächlich betrachtet werden. Und dabei ist es doch wichtig, dass man sich Gedanken darüber macht, wo und unter welchen Umständen Kleidung heutzutage produziert wird. Der bewusste Umgang mit Konsum ist ein wichtiges Thema für mich. Nur Trends auf schnellen und günstigen Weg nachzujagen wollen wir in meinem Laden zum Beispiel gar nicht. Den einen oder anderen Trend machen wir natürlich mit, aber eigentlich suche ich schon immer nach Lieblingsstücken.
TIF: Hast du eine spezielle Kundin vor Augen, für die du diese Lieblingsstücke auswählst?
Ja, die habe ich vor Augen. Allerdings nicht so, dass sie einen bestimmten Beruf oder Aussehen haben müsste. Es geht mir mehr um eine Frau, die schöne Dinge wertzuschätzen weiß und besondere Stücke sucht. Sie möchte nicht nur schnell Billiges konsumieren, sondern ist zeitlos und hat Freude an dem Gekauften. Wie alt sie ist, ist auch völlig egal. Von 12 bis 72 ist jedes Alter vertreten und das soll auch unbedingt so sein. Meine älteste Kundin ist zum Beispiel eine Galeristin von Gegenüber, die hier regelmäßig einkauft. Ich liebe und berate sie immer besonders gerne! Wichtig ist mir auch, dass ich auf keinen Fall nach mir selbst suche, wenn ich das Sortiment auswähle. Ich habe nur wenige Klamotten aus meinem Laden. Für mich selbst kaufe ich ja auch nicht ein, sondern für Andere.
„Entweder du machst das jetzt oder du lässt es.“
TIF: Warum hast du dich entschlossen eine Boutique zu eröffnen?
Ich war ganz lange auf der Berlinale als Tourguide und wollte eigentlich auch in die Kuration gehen. Nebenbei habe ich aber auch bei Harvest, einem reinen Männermultibrandstore mit hochwertiger Mode in München gearbeitet. Ein damaliger guter Freund von mir, Philip Stolte war der Geschäftsführer dort. Für seinen Mut, sich selbstständig zu machen, habe ich ihn total bewundert. Irgendwann habe ich mir dann die Frage gestellt, warum es nicht genau so einen Laden für Frauen gibt. Zufällig stand mir zu dieser Zeit unsere spätere Storelocation zur Verfügung und da wusste ich: Entweder du machst das jetzt oder du lässt es und gehst in eine andere Richtung. Und dann war ich einfach mutig. Noch während ich meine letzten Prüfungen an der Uni geschrieben habe, bin ich schon auf die Baustelle gegangen. Zusammen mit Philip Stolte habe ich 2013 dann das „Sprout“ als Pendant zum Harvest für Frauen eröffnet.
TIF: Von deinem Geschäftspartner hast du dich dann getrennt, aus dem Sprout wurde der Bean Store.
Wir wollten in unterschiedliche Richtungen und da war es dann besser getrennte Wege zu gehen. Er war einfach viel mehr onlineaffin als ich und wollte diesen Bereich gerne ausprobieren. Das war für mich allerdings überhaupt keine Option. Mir geht es wirklich um die Beratung und ich möchte mich voll und ganz auf den Store konzentrieren. Sehr häufig bin ich ja auch selbst im Laden anzutreffen, denn ich will einen direkten Kontakt zu den Kunden haben. Ich möchte beraten und gebe doch auch so gerne zu Allem meinen Senf ab! Im Laden habe den ich direkten Kontakt zu meinen Kunden und höre immer zu, was gerade gefragt ist. Hier kann ich auch wunderbar selbst kreativ tätig werden: Als viele meiner Freundinnen schwanger wurden und ich auf der Suche nach passenden Geschenken war, ist die Idee zu unseren Strickrasseln entstanden. Die stricken wir selbst, zum Beispiel in Ananas-, Bananen-, sogar in Kelly Bag-Form und sie sind sehr gefragt! Ich liebe meinen Beruf und die Möglichkeiten mich darin auszuleben. Heute rede ich wohl genauso begeistert von Klamotten, wie ich es auf der Berlinale über Kunstwerke getan habe. Ich empfinde eben für die Kunst und die Mode gleichermaßen eine unglaubliche Leidenschaft.
Vielen Dank für das Gespräch, Laura !
VON LISA KANSCHAT
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