„Ich wollte diesen Job von Anfang an machen und liebe ihn!“

19:40

Charlotte Dellal empfängt TIF-Bloggerin Giulia Wilzewski in London

Foto: privat


Die rauchige, dunkle Stimme passt so gar nicht zum eleganten und weiblichen Erscheinungsbild der blonden, grazilen Schönheit von Accessoire-Designerin Charlotte Dellal. Doch genau dieser Gegensatz macht sie interessant. Ein kräftiger Händedruck und ein charmantes Lächeln später sind wir im Gespräch. 

Viel zu erzählen hat die Londonerin, denn ihre auffälligen Entwürfe, ob Schuhe oder Taschen mit dem obligatorischen Spinnen-Logo, tragen Fashionistas von New York bis Berlin. International ist auch ihre Familie. Die Mutter, früheres YSL-Model aus Brasilien, der Bruder Ex-Freund von Monaco-Schönheit Charlotte Casiraghi und die Schwester Karl Lagerfelds Muse für Chanel. Allein das Familienbuch liest sich wie ein Who’s-who der Mode- und Societywelt. 

Doch Charlotte Olympia Dellal beweist, dass sie nicht nur dank ihrer Verwandtschaft beste Kontakte zu den Schönen und Reichen pflegt, sondern vor allem durch ihr Design-Talent. Seit 2008 entwirft sie für ihre eigene Marke Charlotte Olympia außergewöhnliche Schuhe mit schwindelerregenden Absätzen und Taschen, die sie oft im Stil von Alltagsgegenstände ironisch interpretiert. So entsteht schon mal eine Flachmann-Tasche oder eine Melone wird als Absatz-Motiv verwendet. Dass sie selbst aber ganz und gar nicht abgedreht ist, sondern mit beiden Beinen (in hohen Absätzen) fest auf dem Boden steht, macht sie uns im Interview klar.

Mrs. Dellal, Sie stammen aus einer echten Globetrotter-Familie, Ihre Mutter ist aus Rio de Janeiro, Ihr Vater Engländer. Warum ist London der perfekte Hauptsitz für Ihre Marke?

CD: Ich bin aus vollem Herzen Engländerin, habe in London studiert und lebe auch hier. Es war von Anfang an klar, dass mein Headquarter in London sein wird. 

Um Deutschland, vor allem Berlin, findet gerade ein ziemlicher Hype statt. Waren Sie schon einmal bei uns zu Besuch?

Die einzige Stadt, die ich in Deutschland besucht habe, ist tatsächlich Berlin. Ich war dort für eine Geburtstagsparty mit Freunden über ein langes Wochenende. Es war fantastisch und ich liebe diese Stadt. Sie ist so voller Energie und wirklich künstlerisch. Ich war zwar nur einmal dort, aber habe sehr viele gute Erinnerungen daran. Deshalb werde ich sicher bald wieder dort hinfahren.

Wenn Sie gerne reisen, ist das bestimmt auch eine wichtige Inspirationsquelle für Sie. Wovon lassen Sie sich gerne inspirieren?

Oft lasse ich mich von Orten oder bestimmten Themen inspirieren. Wichtig ist für mich immer das gute Gefühl bei neuen Kollektionen. Manchmal denke ich an etwas und weiß genau, dass es perfekt für meine Sommerkollektion passt, ein anderes Mal merke ich, dass ich mir diesen Einfall eher für die Herbstlooks „aufheben“ muss. 

"Ich höre immer auf mein Herz und tue das, was mir gefällt."

Offenbar gefallen Ihnen nostalgische und detailreiche Verzierungen. Ist das Ihr Faible?

Ja, das ist richtig.Ich habe eine große Affinität zu den 40er- und 50er-Jahren mit all den Pin-up-Girls und Filmstars. Sie bilden immer den Roten Faden meiner Designs. In gewisser Weise ist die Nostalgie für diese Ära die Essenz meines Unternehmens. Meine Musen sind immer feminin, aber ich habe niemals die gleiche Person, es ist immer ein anderer Charakter aus dieser Zeit.

Woher kommt Ihre große Liebe zu den 40er-Jahren?

Es gibt kein konkretes Erlebnis, aber ich habe ständig alte Filme mit meiner Mama
angesehen; sie liebte sie. Ich verfiel augenblicklich in den Glamour dieser Zeit, vor allem der Art und Weise, wie sich die Frauen anzogen. 

Wie schaffen Sie es, Saison für Saison neue Ideen zu haben?

"Ich denke, als Designer sprudelt man immer automatisch vor lauter Ideen über." 

Ich fühle mich nie gezwungen. Ich wollte diesen Job von Anfang an machen und liebe ihn! Klar kommt es manchmal vor, dass ich eine Idee habe, die für den jetzigen Moment unbrauchbar ist, aber dann krame ich sie für eine späteren Entwurf wieder hervor.

Macht sich der hohe Druck der Modeindustrie auch bei Ihnen bemerkbar?

Ich mache vier Kollektionen pro Jahr, zwei Haupt- und zwei Pre-Collections. Die Umstellung von zwei auf vier Kollektionen fand ich allerdings gar nicht schlimm, im
Gegenteil, je mehr Arbeit ich habe, desto kreativer werde ich. Ich habe auch noch Projekte dazwischen und die größere Menge an Arbeit entwickelt sich schließlich zu einem konstanten Rhythmus.

Ist das der Grund, warum Sie sich entschieden haben, sich auf Schuhe und Taschen zu konzentrieren?

Eigentlich hat sich das bei mir während des Studiums herauskristallisiert. Als ich jünger war, wollte ich unbedingt eine Ready-to-wear-Designerin werden und machte deshalb am London College of Fashion ein Foundation Year. Dort habe ich viele Outfits entworfen, wusste aber gar nicht, dass es einen Unterschied zwischen einem Accessoire- und einem Modedesigner gibt. Erst später kristallisierte sich dann mein Interesse für Schuhe heraus und so habe ich dann einen Bachelor-Abschluss in Schuhdesign gemacht. Irgendwann kamen auch Taschen dazu. Das Designen von Kleidung ist etwas ganz anderes, angefangen vom Team und dem ganzen Prozess. Für meine Schuhkollektionen entwerfe ich immer kleine Kollektionen, damit man die Schuhe in Kombination zu den Outfits sieht. Meine Marke ist ja noch sehr jung, es gibt also noch viele Taschen und Schuhe für mich zu entwerfen!

Welche Rolle spielen Stars für Ihre Marke?

Ich freue mich immer, wenn ich jemanden mit meinen Schuhen laufen sehe, egal ob es eine berühmte Person ist oder nicht. Natürlich ist es sehr besonders, jemanden Berühmten auf dem roten Teppich mit den eigenen Design zu erblicken, aber als ich das erste Mal eine normale Frau auf einer Party in meinen Schuhen gesehen habe, war das noch aufregender! Dann weiß ich nämlich, dass jemand wirklich in einen Shop gegangen ist, meine Schuhe gesehen hat und sie direkt gekauft hat, um sie zu tragen - ein tolles Gefühl.

Viele Nachwuchsdesigner träumen von genau diesem Gefühl. Würden Sie  jungen Kreativen eine Karriere in der Modebranche empfehlen?

Absolut! Es ist zwar nicht leicht, aber das war es noch nie. Man muss immer sehr hart arbeiten. Am wichtigsten ist, dass man seine Arbeit wirklich liebt und eine Leidenschaft dafür hat. Dann kann man all die Hindernisse überwinden. Und man sollte unbedingt einen Business-Plan ausarbeiten. Am Anfang ist man alleine, aber nach und nach muss man sich ein gutes Team suchen, weil man es sonst nicht schafft.

Stichwort Business-Plan: Wie kommen Sie mit den geschäftlichen Dingen Ihrer Marke zurecht?

"Ich wollte immer in die Modebranche, aber auch immer meine eigene Marke haben." 

Für eine andere Firma zu arbeiten kam nie in Frage. Mein Vater machte mir früh klar: „Du musst an das Wirtschaftliche denken!“. Vieles hat auch mit Allgemeinwissen und Instinkt zu tun und oft lernt man aus Fehlern. Anfangs half mir mein Vater sehr viel und irgendwann stellt man auch andere Leute an, die einen unterstützen. Ich interessiere mich sehr für die unterschiedlichen Bereiche meiner Firma und mag sowohl die kreative, als auch die geschäftliche Seite. Aber irgendwann muss man seine Stärken kennen und sich mit anderen Personen zusammenschließen, deren Stärke Deine eigene Schwäche ist.

Was ist Ihr ultimativer Tipp für Nachwuchsdesigner?

Es ist sehr wichtig, eine eigene Ästhetik zu entwickeln, um sich von anderen abzuheben. Bleibe Dir selbst und Deinem Design treu, dann bist Du etwas besonderes. Sei erkennbar!

Vielen Dank für das Gespräch! 

VON GIULIA WILZEWSKI

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1 Kommentare

  1. Liebes Talks-In-Fashion Team,

    das ist ein sehr schönes und gut geschriebenes Interview! Ich hätte mir jedoch noch ein paar Bilder von ihrer neuesten Kollektion gewünscht. So würde man einen besseren Einblick bekommen (:

    Liebe Grüße,
    Madlen

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